«Bis spätestens Ende Juli will ich gesund sein»
Es war eine Saison zum Vergessen für Ramon Zenhäusern. Was macht er mit seiner immer noch lädierten Schulter?
Und was bedeutet eigentlich sein Verlust des Status Nationalmannschaft?
Ramon Zenhäusern ist nach seinem schlechtesten Winter in der Weltrangliste nach hinten gefallen. Er wird Anfang der nächsten Saison nicht mehr unter den Top 15 starten können. Kein Wunder, meinte der Slalomfahrer nach dem Saisonschluss: «Ich bin froh, dass dieser Seich vorbei ist.» Der Grund war der Trainingssturz bei hoher Geschwindigkeit kurz vor dem Weltcupstart in Schweden gewesen. Slalomtrainer Thierry Meynet meinte, er hätte beim Zusehen des Unfalls sogar Sorgen um die Karriere bekommen. Zenhäusern leidet immer noch an einer Schultersteife, einer sogenannten Frozen Shoulder. Das heisst, als Folge des Sturzes war es zu einer entzündlichen Reaktion der Gelenkschleimhaut und damit zur Einlagerung von Proteinen gekommen, was zur Verdickung der Gelenkkapsel und zur Verminderung ihrer Elastizität führte. Dadurch nimmt die Beweglichkeit ab, das Gelenk «friert ein» (Frozen Shoulder), daher der Name. Es fehlt Zenhäusern bei Rotationsbewegungen noch heute «viel Winkel», wie er es nennt. Wäre er Tennisspieler oder Handballer, er hätte die Saison aufgeben müssen. Da er Ski fahren konnte und keine zusätzlichen Schäden in der Schulter drohten, zog er die Olympiasaison hingegen durch.
Wärme und Meerwasser
Die Verletzung, die er sich im November zugezogen hatte, hat ihn weit mehr beschäftigt als gedacht. Die Folgen halten bis heute an. Zenhäusern hat sich nun in Absprache mit den zuständigen Ärzten der Klinik Hirslanden entschieden, die Verletzung nicht mittels einer Operation beheben zu wollen. Ein Eingriff wäre eine Möglichkeit gewesen, hätte aber zwei Monate Ruhe bedeutet. Zenhäusern will primär mit spezifischer Physiotherapie gesunden. Er sagt: «Eine Schulterverletzung gilt als sehr komplex und dauert zwischen sechs und neun Monate. Ich bin also im Fahrplan.» Geht es über die volle Zeit von neun Monaten, sollte er im Juli beschwerdefrei sein. Zenhäusern: «Mein Ziel ist es, komplett gesund zu sein, wenn ich Anfang August mit dem Skitraining beginnen werde.» Förderlich bei der Heilung einer Schultersteife sind nebst Physio auch Wärme und Meerwasser. Etwas, was Zenhäusern entgegenkommt, verreist die Familie im Sommer doch regelmässig gemeinsam ans Meer. Das wird im Juli der Fall sein, die nächsten zwei Wochen geht er nach Ägypten und Griechenland. Gemäss einem Schreiben der Ärzte der Hirslanden-Klinik sind die langfristigen Prognosen bei einer konservativen Behandlung sehr gut. Und trotzdem ziehen die Verletzung und die damit verbundenen schlechten Resultate Folgen nach sich. Zenhäusern ist vom Status Nationalmannschaft auf Stufe A-Kader zurückgesetzt worden. Den Nati-Status erhält nämlich bloss, wer in einer Disziplin unter den Top 15 steht oder mindestens einen Podestplatz oder aus dem Vorwinter eine Olympia- oder WM-Medaille vorweisen kann. Zenhäusern kann keine dieser Bedingungen erfüllen, in Adelboden büsste er als Vierter 19 Hundertstelsekunden auf das Podest ein. Wäre er diese 19 Hundertstel schneller gefahren, er hätte als Dritter weiterhin den NatiStatus behalten. Rein sportlich bedeutet das, dass er beim Weltcupstart 2022/23 nicht mehr unter den Top 15 an den Start wird gehen können. Ab Slalomrang 16 entscheidet die FIS-Startliste über die Startnummer und hier steht Zenhäusern im Slalom auf Platz 24. Holt er im kommenden Winter beim Eröffnungsrennen allerdings einen Podestplatz, dürfte er wieder unter die Top 15 rutschen. Die schlechte Saison hat auch finanzielle Einbussen zur Folge, wenn auch nicht gravierende. Denn es gibt fixe und leistungsabhängige Prämien, die gemäss Verträgen stark von den Rängen abhängen. Dass Zenhäusern nicht mehr den NationalmannschaftStatus geniesst, hat also indirekte Folgen. Ansonsten sind sie vernachlässigbar, beispielsweise erhält er ein paar Handschuhe oder T-Shirts weniger.
Wird Zenhäusern nun schlechter behandelt?
Bezüglich den Swiss-Ski-Trainings und der Qualität der Trainings hat die Rückstufung keine Auswirkungen, ein A-Kader-Fahrer wird nicht schlechter behandelt als ein Nati-Fahrer, wie Aussenstehende meinen könnten. Zenhäusern profitiert skitechnisch und sportlich immer noch vom besten Angebot von Swiss-Ski, genau gleich wie Daniel Yule, der weiterhin über den Nati-Status verfügt. Vom viel gepriesenen Schweizer Slalomteam besitzt übrigens nurmehr der Unterwalliser den Natistatus, gleichwohl bleibt die Trainingsgruppe bestehen. Am 23. Mai wird Zenhäusern mit dem Konditionstraining beginnen. Er wird nicht wie im letzten Sommer ständig am modernen Hochleistungszentrum OYM in Cham bei Zug trainieren, sondern das Fitnessprogramm zwischen dem OYM, den Swiss-SkiTrainern und dem Eigentraining aufteilen. Zenhäusern zu dieser Anpassung: «Das OYM ist genial, aber ich war monatelang fast täglich von 8.00 bis 17.00 Uhr im Zentrum. Neu möchte ich mehr Freiheiten und soziale Abwechslung. Ich habe dadurch mehr Zeit für meine Partnerin und meine Familie.» Das sei für seinen Kopf und die Psyche gut.
Roman Lareida/ wb 27.4.2022