«Konstanz ist ein hohes Gut»
Ramon Zenhäusern, am Sonntag erfolgt der Weltcupstart in Ihrer Disziplin Slalom. Wobei stören wir Sie gerade?
«Wir sind in Schweden bei den letzten Vorbereitungen für das Rennen vom Sonntag in Levi (Red. Finnland). Es ist bald Abend und wir werden eine richtige Sauna nach finnischer Art besuchen. Diese befindet sich auf einem Häuschen am Badesteg. Zur Abkühlung gehts dann in den See. Der ist zwar zugefroren, aber sie haben ein Loch ausgefräst.»
Skirennfahrer üben sich oft in anderen Freizeitaktivitäten, um sich fit zu halten. Ihre Passion?
«Ich habe eine Tennis-Vergangenheit, deshalb spiele ich schon ab und zu. Ich finde das eine gute Übung, die der Schnelligkeit für die Beinarbeit zugute
kommt. Das hilft mir im Slalom. Jeder hat da seine Vorlieben. Auch Beat Feuz beispielsweise ist auf dem Tennisplatz zu sehen. Justin Murisier und Henrik Kristoffersen fahren oft Motocross.»
«Kitesurfing ist der Hammer, wenn es um die sehr wichtige Stärkungder Rumpfmuskulatur geht»
Ramon Zenhäusern Die Rumpfmuskulatur ist zwecks der Stabilität und dem Gleichgewicht im Skirennsport das Wichtigste. Inwiefern helfen da andere Sportarten?
«Bis vor zwei, drei Jahren habe ich Windsurfing betrieben. Unter dem ehemaligen Trainer Didier Plaschy waren wir sogar von Swiss-Ski aus in ein Windsurf-Camp gegangen. Nun mache ich seit ein paar Jahren auch Kitesurfing. Das ist der Hammer. Für die Stärkung des Rumpfes ist das etwas vom Besten. Gerade die Sprünge helfen dir enorm dabei. Ich hatte in diesem Sommer sogar Rumpf-Muskelkater. Und es macht Spass. Etwas, das derart hilfreich ist und auch noch Freude bereitet, ist natürlich das Beste.»
Sind Rumpfübungen gerade für Sie als Zweimetermann besonders entscheidend?
«Ich habe den Fokus schon stark darauf gerichtet.»
Gerade für Rennen auf eisigen Unterlagen?
«Das galt insbesondere für früher. Inzwischen habe ich schon viel weniger Mühe auf Eis. Aber das ist auch normal, denn ich habe inzwischen fünf Weltcupwinter hinter mir. Ich habe zuletzt darüber nachgedacht, wie schnell das geht. Eigentlich bin ich schon recht lange dabei, da weiss man, wie die Pisten sind. Anfangs, als ich von den weichen Unterlagen im Europacup oder in FIS-Rennen in den Weltcup kam, da bereiteten mir eisige Pisten auch aufgrund meiner Grösse etwelche Schwierigkeiten. Heute bereitet mir so eine Eispiste überhaupt keine Angst mehr.»
Weshalb sind Sie in Schweden und nicht bereits vor Ort in Finnland?
«Den genauen Grund kenne ich auch nicht. Aber man kann nur bis eine Woche vor dem Start auf dem Rennhang trainieren, also bis letzten Samstag. Die Franzosen und Deutschen, die US-Amerikaner, Japaner und Finnen haben darauf trainiert, wir und die Österreicher, Italiener und Schweden nicht. Diese Nationen sind alle hier in Kabdalis in Nordschweden und absolvieren dasselbe Programm. Wir machen das bereits seit Jahren so.»
Die Lichtverhältnisse zu dieser Jahreszeit im hohen Norden sind speziell. Wie empfinden Sie das?
«Um 15.00, 16.00 Uhr ist es bereits dunkel. Auch wenn es nicht klar ist, wirds nicht richtig hell. Das ist speziell und auch der Grund, weshalb man recht früh hier hinauffliegt, so eine Woche vor dem Rennen bereits. Das dürfte wohl auch der Grund sein, weshalb wir nicht nach Levi gefahren sind, weil man ansonsten zu lange hier oben weilte, da die Rennstrecke ja bloss bis letzte Woche offen war. Man hätte daher noch früher kommen sollen. Es ist schon speziell, man schläft etwas mehr, wenns dunkel ist. Aber ein Problem ist das natürlich nicht.»
Wie stehen Sie zum Slalomhang von Levi?
«Das erste Rennen ist immer ein spezielles. Oben kommt mir der eher flache Teil entgegen. Danach folgt ein gleichmässiger Hang, etwas, das mir weniger behagt. Ich ziehe nämlich Hänge wie in Kitzbühel vor, wo sich das Terrain ständig ‹bewegt›. Dort sind keine fünf Bögen hintereinander gleich, hier in Levi ist das ganz anders. Da folgen sich 20, 30 Tore nach dem genau gleichen Muster. Levi ist nicht mein Lieblingsrennen. Das aber schliesst ein gutes Resultat nicht aus.»
Was ist ein gutes Resultat?
«Wenn Sie jetzt eine Rangierung von mir hören wollen, dann wird das nichts. Ich will das umsetzen, was ich mir vornehme.»
In der vorletzten Rennsaison kamen Sie bloss in der Hälfte der Rennen durch. In der letzten dann qualifizierten Sie sich in jedem Slalom für den zweiten Lauf. Bloss einmal in Zagreb gabs nach einem Einfädler im zweiten Durchgang keine Punkte. Die Konstanz zumindest war beeindruckend.
«Deshalb stufe ich die letzte Saison als sehr gut ein. Das ist der Beweis, dass ich auf allen Strecken Ski fahren kann. Manche sprachen von Stagnation, dabei ist das Gegenteil der Fall. Für mich persönlich ist es einen grossen Schritt nach vorwärts gegangen.»
Ihre Resultate 2016/2017 waren mit einer Ausnahme zwischen Rang 15 und 25 angesiedelt. Sie haben fast immer gepunktet, was durchaus eine beachtenswerte
Leistung ist. Am Schluss waren Sie die Weltnummer 26 im Slalom. Konstanz in allen Ehren, aber wäre es nicht erstrebenswert, mit mehr Risiko vielleicht weniger Resultate, dafür noch bessere zu erreichen?
«Konstanz ist gerade im Slalom ein hohes Gut. Das muss man zuerst auch einmal schaffen. Wenn es die Konstanz nicht gäbe, so würde ich wohl zu
viel überlegen und an der Sache herumstudieren, weshalb ich wieder rausgeflogen bin. Und so gäbe es im Kopf neue Probleme. Nein, Konstanz will ich beibehalten. Aber Sie haben insofern recht, dass es mein nächster Schritt sein muss, konstant auf besserem Niveau zu werden. Das heisst, meine letztjährigen Leistungen auf ein höheres Level zu hieven. Sprich regelmässig auf Plätze unter den Top 15 zu kommen. Das wird meine Herausforderung sein.»
Wann ist Ramon Zenhäusern am Sonntagabend zufrieden?
«Wie gesagt, kein Resultat. Und schliesslich kann man es eh nicht auswählen. Es kommt so, wie es kommt. Ich habe gut trainiert, ich fühle mich fit, ich bin guten Mutes, ich will einfach meine Leistung erbringen.»
Gab es in der Vorbereitung auf die neue Saison spezielle Momente?
«Nein, mir kommt da nichts in den Sinn. Ich bin ein Jahr älter geworden, vielleicht auch entsprechend gelassener. Es ist einfach krass, wie schnell die Zeit vergeht. Jedesmal, wenn ich hier nach Schweden komme, denke ich, was, schon wieder ein Jahr Weltcup vorbei. Es ist jetzt mein sechstes Mal hier in Kabdalis. Unglaublich!»
Haben Sie besondere Schwerpunkte gesetzt?
«Ich habe weniger Riesenslalom trainiert als in den letzten Jahren und mich mehr auf den Slalom fokussiert. Ich habe den Riesen nicht aufgegeben, aber ich will erst mal in einer Disziplin richtig gut sein und mich nach vorne arbeiten und erst dann die zweite ausbauen. Das war schon lange meine Strategie und das habe ich dieses Jahr auch konsequenter umgesetzt. Wegen den 450 Europacup-Punkten aus dem Winter 2015/2016 konnte ich letztes Jahr im EC-Riesenslalom auch früher starten, was ich nutzen wollte. Auf diesen Winter war die Ausgangslage nicht mehr so. Das führte irgendwie dazu, dass ich im Sommer spürbar weniger Riesenslalom trainiert habe. Ich will nicht in zwei Disziplinen einfach ein wenig dabei sein.»
Ramon Zenhäusern, wir sind in einem Olympiawinter. In Sotschi 2014 waren Sie vielmehr dank Jugendbonus dabei. Darauf können Sie nicht mehr hoffen.
«Die Kriterien sind klar. Zweimal Top 15 oder einmal Top 7. Vor zwei Jahren hätte ich es geschafft (Red. 7. in Adelboden), vor einem Jahr hatte ich einen 12. (Kitzbühel) und 16. Platz (Wengen). Es geht jetzt darum, dass die Olympiaqualifikation kein grosses Thema sein wird. Sondern eine eindeutige Sache.»
Interview: Roman Lareida