«Gab nur eine Scheibe Weissbrot»
Ramon Zenhäusern hat ein aufwühlendes Wochenende hinter sich. Weder sein Magen noch die Hundertstel waren auf seiner Seite.
Ramon Zenhäusern, Sie hatten in Adelboden mit einem Magen-Darm-Virus zu kämpfen. Was ist passiert? «Ich bin in der Nacht von Freitag auf Samstag von 2 bis 6 Uhr wach gewesen und musste ständig erbrechen, habe mich quasi ‹entleert›. Es grassierte ein Virus, von dem auch Justin Murisier oder Alexis Pinturault und weitere Fahrer betroffen waren. Unser Teamarzt ist dann aufs Zimmer gekommen und hat mir Medikamente gegeben.»
War ein Startverzicht ein Thema? «In diesen Stunden konnte ich mir nicht vorstellen zu fahren. Hätte ich mich am Sonntagmorgen so gefühlt wie 24 Stunden zuvor, hätte ein Start keinen Sinn ergeben. Ich war am Samstag den ganzen Tag im Hotel und habe das Minimum an Schnelligkeitsund Kraftübungen absolviert.»
Wie fühlten Sie sich am Sonntag vor dem Start? «Bei vielleicht 80 Prozent. Zum Frühstück gab es nur eine Scheibe Weissbrot.»
Im Rennen merkte man von Ihren gesundheitlichen Beschwerden dann nicht viel. «Nein, es war unglaublich, bei diesem Wetter, diesen Pistenverhältnissen und diesem einmaligen Schweizer Publikum zu fahren. Das hat mir Kraft gegeben.»
Die Freude über den 4. Rang oder die Enttäuschung über das verpasste Podest – was überwiegt? «Nach dieser Vorbereitung hätte ich für dieses Resultat sofort unterschrieben. In Levi fehlten neun Hundertstel aufs Podest, in Zagreb deren sieben für den Sieg und nun acht für das Podest. Das Glück ist derzeit sicher nicht auf meiner Seite. Ich bin mir aber sicher, dass sich das bis Ende Saison noch ausgleichen wird. Wir haben noch nicht einmal Halbzeit.»
Von aussen betrachtet haben Sie eine noch bessere Rangierung in beiden Läufen bis zur ersten Zwischenzeit vergeben. Einverstanden? «Ja, dieses Gefühl hatte ich auch. Vielleicht fuhr dort eine gewisse Unsicherheit mit, auch aufgrund der suboptimalen Vorbereitung. Das Niveau im Slalom ist derzeit so hoch und die Abstände so eng, da verträgt es nicht viel. Andere Fahrer hatten in anderen Abschnitten Probleme.»
Sie sprechen die Dichte an der Spitze an. Das bedeutet auch, dass jeder seine Chancen hat. Fahren Gedanken an die kleine Kristallkugel mit? «Nein, ich nehme weiter Lauf für Lauf. Ich weiss, dass ich derzeit schnell bin, wenn ich durchkomme. Das ist ein gutes Gefühl.»
Nach dem ersten Lauf waren vier Schweizer in den Top 5 klassiert. War der Trubel über die Mittagspause noch grösser als üblich? «Es ist immer sehr, sehr stimmungsvoll in Adelboden. Mittlerweile kennt mich an diesem Berg jeder und ich bekomme so viele aufmunternde Worte auf den Weg. Das motiviert ungemein. Als vor dem zweiten Durchgang nur noch die letzten fünf oben standen, fühlte sich das fast an wie bei den Schweizer Meisterschaften mit all den Teamkollegen rundherum. Super, dass Dani (Yule – Red.) sein Ding dann durchgezogen hat.»
Das für heute geplante Training in Adelboden lassen Sie schonungshalber aus. Reichts für die Nachtslalom-Exhibition in Montana am Mittwoch? «Ich habe über das Wochenende vier bis fünf Kilogramm verloren. Der Fokus gilt in diesen Tagen der Erholung, dem Schlaf und der Ernährung. Ob ich in Montana teilnehme, lasse ich noch offen. Priorität hat der WeltcupSlalom in Wengen am kommenden Wochenende.»
Interview: David Taugwalder