Ramon Zenhäusern startet sein Schneetraining in Saas-Fee und ist auf der Suche nach einem Kopfsponsor
«Ich kann frühmorgens nach Saas-Fee fahren, bei besten B edingungen trainieren und bin am Nachmittag schon w ieder im Schwimmbad in Visp», so Ramon Zenhäusern. Der Gletscher in Saas-Fee hat sich zu einer Konstante in Zenhäus erns Karriere entwickelt, ist zu seinem Heimatgletscher geworden. Er wird die komplette Saisonvorbereitung hier absolvieren und verzichtet auf eine Reise mit dem Team nach N euseeland. Gewohnte Umgebung, kurze Wege, steiles Gelände: Es gibt für den 26-Jährigen viele Gründe, auf die Reise ans andere Ende der Welt zu verzichten: «Die Pisten in Saas-Fee entsprechen genau meinen Trainingsschwerpunkten.» Neu tritt er als Botschafter des S ommerskigebiets auf. Im Winter vertritt der 26-Jährige w eiterhin die Moosalpregion.
Neue Erwartungshaltung und viel Altbewährtes
Zenhäusern wirkt erholt, frisch und hungrig: «Der intensive Winter, die Botschafterrolle für ‹Sion 2026›, Bachelor-Prüfungen – ich bin im Frühling nie richtig zur Ruhe gekommen. Den Sommer habe ich genutzt, um einen Monat völlig abzutauchen.» Nun fühlt sich der Visper bereit für die Saisonvorbereitung und einen langen Winter mit den Weltmeisterschaften im schwedischen Åre als Höhepunkt. Zenhäusern wird 2018/19 in der Slalom-Spitzengruppe unter den Top 7 starten und regelmässig zum Feld der Siegesanwärter gehören. Wie geht der Olympiasieger mit der gesteigerten Erwartungshaltung um? «Ich will gesund bleiben und Spass haben. Alles andere kommt von allein.» Die unkonventionellen Trainingsmetho
den von Didier Plaschy sollen weiter eine zentrale Rolle spielen. Spass und seriöses Training sind dabei eng miteinander verbunden: «Während des Sommers waren wir Kitesurfen. Ich hatte danach drei Tage Bauchmuskelkater wie bei keinem Rumpftraining in der Halle.»
Olympiasieger ohne Kopfsponsor
Alles bereit also für einen w eiteren furiosen Winter? Nicht ganz. Zenhäusern ist w eiterhin auf der Suche nach einem Kopfsponsor. Als Olympiasieger. Der Kopfsponsor gilt als Haupteinnahmequelle eines Athleten im Skirennsport. Die TV-Präsenz ist lukrativ für Sponsoren, und Zenhäusern ist mit seiner erfrischenden Art ein vermeintlich gefragter Werbeträger. Warum also hat es bisher nicht geklappt, einen Kopfsponsor an Land zu ziehen? «Wir haben Verhandlungen mit nationalen wie internationalen Unternehmen geführt, sind bisher aber zu keiner Einigung gekommen», so Zenhäusern. Sind die fi nanziellen Vorstellungen des Olympiasiegers zu hoch? «Nein, auf keinen Fall. Wir reden d abei von branchenüblichen Beträgen.» Die Verhandlungen scheiterten gemäss Zenhäusern aus verschiedenen Gründen: «Bei einem Unternehmen ist die Strategie nicht mit dem Skisport kompatibel, beim nächsten Unternehmen investieren die Verantwortlichen lieber in die Kultur oder in Events.» Die Situation mutet paradox an: Zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr konnte sich Zenhäusern als Nummer 24 der Slalomwertung den fehlenden Kopfsponsor mit rarem sportlichem Erfolg erklären. Ein Jahr später ist der 26-Jährige Olympiasieger, etabliert in der Weltspitze und gleich weit wie vor Jahresfrist.
Daniel Yule oder Luca Aerni etwa fahren seit Jahren mit Kopfsponsor. Der Visper: «Der Skisport hat nicht die grosse Aufmerksamkeit wie etwa der Fussball. Trotzdem ist es erstaunlich, dass sich kein Kopfsponsor fi nden lässt.»
Swiss-Ski als Unterstützer und Hindernis
Seit dem 1. August steht Zenhäusern als Zeitmilitär-Spitzensportler bei der Armee unter Vertrag. Im 50-ProzentPensum verdient er 2000 Franken pro Monat. Von diesem Einkommen kann sich der Visper einen Sportpsychologen leisten und bei sich zu Hause einen kleinen Kraftraum einrichten. Dazu kommen Preisgelder während des Winters und Beiträge von kleineren Sponsoren. «Ich fahre nun seit sechs Jahren im Weltcup. Ab dieser Saison kann ich mir meinen Lebensunterhalt erstmals selbstständig fi nanzieren. Ein Kopfsponsor wäre gleichwohl wünschenswert», so Zenhäusern. Bei der Suche kommt erschwerend hinzu, dass sämtliche Verbandssponsoren von Swiss-Ski als potenzielle Unterstützer wegfallen und damit auch jegliche konkurrenzie
renden Unternehmen der V erbandssponsoren. «Auf der einen Seite kommt der Verband für Flüge, Unterkünfte, Spesen etc. auf, und andererseits bin
ich durch den Verband auf der Suche nach Kopfsponsoren eingeschränkt», so der 26-Jährige. Zenhäusern hofft, dass sich in absehbarer Zeit ein Engage
ment ergibt: «Ich bleibe dran. Wichtig ist aber, dass ich mich auf meine Kernkompetenz konzentriere und die neue Saison optimal vorbereite.»
WB / DAVID TAUGWALDER